Digitale Unternehmensreise

Ein Angebot im Rahmen unseres Weiterbildungsverbundes ist der Blick hinter die Kulissen von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Bei unserem Format "Digitale Unternehmensreise" berichten Betriebe von der Praxis für die Praxis über die Erarbeitung und Umsetzung von Lösungen der betrieblichen Bildungsarbeit.

Am 07.02.2023 stand das Thema Kompetenzmanagement im Fokus. Die Medivitalis Reha- und Medizintechnik GmbH, ein Berliner Unternehmen mit 28 Beschäftigten, berichtete über die Einführung eines Kompetenzmanagements und darüber, welche Möglichkeiten es für kleine und mittelständische Unternehmen gibt, die Kompetenzen der Beschäftigten zu bestimmen und sicherzustellen.

 

Ein Einblick in das Interview mit Johannes Kraus:

Was war der Anlass die Kompetenzen Ihrer Beschäftigten stärker in den Blick zu nehmen?

In unserem Fall bei Medivitalis sind Fortbildungen Teil des Alltags, denn ohne bestimme Fortbildungen dürfen für Krankenkassen keine Dienstleistungen erbracht werden. Für uns ist deshalb die Präqualifizierung Geschäftsgrundlage um Verträgen beizutreten. Es braucht den Nachweis über qualifizierte Mitarbeiter:innen (Fachkunde muss nachgewiesen werden). Daraus leitet sich ab, dass wir 5 bis 7 Jahre im Voraus denken müssen, weil dann die Präqualifizierung fällig wird.

 

Sie entwickeln derzeit eine technische Lösung zur Abbildung der Kompetenzen Ihrer Mitarbeiter:innen. Welche Ziele/welchen Zweck verfolgen Sie mit der "Kompetenzmatrix"?

Bei uns wird eine Vielzahl an Fortbildungen gebraucht, 300 bis 500 Fortbildungen müssen verwaltet werden. Die Fortbildungen sind nur zeitlich begrenzt gültig. Ich brauche also eine Übersicht, wann die Zertifikate auslaufen und ich meine/n Mitarbeiter:in wieder zur Fortbildung xy schicken muss. Um das händelbar zu machen braucht es eine IT-Lösung.

 

Was soll Kompetenzmatrix können?

Uns war zunächst wichtig, dass es eine Online-Anwendung ist. Man muss nichts installieren und kann von überall darauf zugreifen (alle Arbeitsplätze sind mit Rechnern/Tablets ausgestattet). Außerdem möchten wir unsere Beschäftigten mitnehmen. Deswegen muss das System gekoppelt sein mit bestimmten Rechten/Rollen (personalisierte Zugangsdaten), damit auch unsere Mitarbeiter:innen Daten eingeben können.

In der Anwendung sind mir verschiedene Sachen wichtig, vor allem bestimmte Kennzahlen bzw. Abfragemöglichkeiten, zum Beispiel „Zeige mir alle Mitarbeiter:innen, die Reha-Fachberater sind“. Das System soll in der Lage sein mir die passenden Mitarbeiter:innen anzuzeigen, die am Arbeitsplatz xy arbeiten können (weil sie die entsprechenden Kompetenzen/Fortbildungen haben).

Außerdem brauche ich eine Übersicht, wann ich die Fortbildung xy organisieren muss, weil Zertifikate auslaufen. Wir wollen in die Zukunft gucken, rechtzeitig in die Planung gehen bzw. die Planfeststellung automatisieren.

Weitere Auswertungen, die das System können sollte sind z.B. „Zeige mir alle Fortbildungen von Johannes Kraus“ oder „Zeige mir alle Fortbildungen in denen „Schreiben“ vermittelt wurde.

Ein nächster Schritt soll auch sein, dass man Einarbeitungspläne aus dem System heraus generieren kann (z.B. erstelle mir einen Einarbeitungsplan für den Arbeitsplatz xy).

 

Wie kommen die Daten ins System?

Das Entscheidende, damit das alles funktioniert und abbildbar ist: Man muss Kompetenzen beschreiben, man muss Arbeitsplätze beschreiben und man muss die Mitarbeiter:innen beschreiben.

Zunächst wird die Kompetenz angelegt (z.B. „Befähigung für Treppensteiger“) und beschrieben, was diese Kompetenz ausmacht (z.B. „Der Kompetenzträger ist in der Lage, Treppensteiger zu benutzen und einzuweisen“). Diese Kompetenz kann man unterschiedlich gut können, deswegen ist auch eine Skalierung hinterlegt, beispielswiese Stufe 1 bis Stufe 5, z.B. „Der Kompetenzträger kann Treppensteiger einweisen“ versus „Der Kompetenzträger darf Treppensteiger reparieren“, das ist eine große rechtliche Unterscheidung.

Als nächstes müssen die Mitarbeiter:innen angelegt werden. Es wird beschrieben was er/sie kann (z.B. Treppensteiger) und wie gut er/sie es kann (z.B. Stufe 3). Personaldaten werden auch erfasst, z.B. wann verlässt der/die Mitarbeiter:in das Unternehmen oder ist mal längerfristig nicht da (z.B. Elternzeit). Dann kann man strategisch agieren, damit die Kompetenzen weiterhin im Unternehmen gesichert sind.

Schließlich muss noch der Arbeitsplatz angelegt werden: die Bezeichnung des Arbeitsplatzes (z.B. Wareneingang), die Beschreibung des Arbeitsplatzes und die Aufgaben am Arbeitsplatz, z.B. für den Arbeitsplatz „Wareneingang“ ist es eine Aufgabe, Rechnungen aus den Paketen nehmen, Positionssummen zu prüfen und Gesamtsummen zu prüfen. Für diese Aufgaben werden dann auch nötige Kompetenzen benannt (z.B. „Rechnen“, Stufe 5).

 

Wie sind Sie bei der Beschreibung der Arbeitsplätze und Aufgaben der Mitarbeiter:innen vorgegangen?

Die Mitarbeiter:innen wurden mit einbezogen. Zum einen haben wir sie gefragt was aus ihrer Sicht für eine solche Lösung wichtig ist und zum anderen sollten sie dann konkret benennen, was sie am Arbeitsplatz machen und wie sie es machen. Die Aufgaben sind ja sehr mannigfaltig. Hierbei hat uns auch das Projekt „MEKA-BB“ mit dem Instrument der Arbeitsplatzbeschreibung unterstützt. Den Mitarbeiter:innen wird auf diese Weise auch bewusst was sie alles machen. Oft ist es eine Vielzahl von Kleinigkeiten, die gar nicht so sehr sichtbar sind. Auf Ebene der Geschäftsführung kann man auch garnicht mehr den Überblick haben wer was im Detail macht.

 

Warum haben Sie sich die Entwicklung einer eigenen technischen Lösung entschieden?

Für uns ist es wichtig, dass sich die Software unserer Arbeitsweise anpasst und nicht anders herum. Es muss nicht schön sein, es muss nicht toll sein, Hauptsache es funktioniert. Medivitalis agiert auf einem Markt, wo es nicht so viele Softwarelösungen gibt. Also haben wir eine Softwarefirma gegründet die sich auf die Entwicklung von Prozessoptimierungssoftware konzentriert.

 

Welche Ratschläge haben Sie für Unternehmen die das Thema Kompetenzmanagement stärker in den Blick nehmen wollen?

Vor allem die Mitarbeiter:innen einbeziehen. Alle sollten den Mehrwert verstehen.

Für die Kompetenzentwicklung ist uns auch die Lernkultur am Arbeitsplatz sehr wichtig. Außerhalb der Fortbildungen die vorgeschrieben sind nutzen wir z.B. Formate am Arbeitsplatz um die Kompetenzen der Mitarbeitenden zu entwickeln. Die Kollegen:innen schulen sich z.B. gegenseitig. Dafür haben wir mittwochs eine halbe Stunde eingeplant, ein lockeres Beieinandersein wo die Kollegen:innen sich gegenseitig berichten und ihr Wissen weiter geben (z.B. „Ich habe die Sicherung zum Durchbrennen gebracht, weil ich Folgendes falsch gemacht habe“). Hier hat sich bei einer Tasse Kaffee eine schöne Eigendynamik entwickelt.

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